Eine Lesung mit Tanz und Musik
‹Ich sagte Ihnen, dass Shakespeare eine Schwester hatte; aber suchen Sie nicht nach ihr … sie lebt in Ihnen und in mir und in vielen anderen Frauen, die heute nicht hier sind, weil sie Geschirr spülen und Kinder ins Bett bringen … und wenn jede von uns fünfhundert Pfund im Jahr hat und ein Zimmer für sich allein; wenn wir an die Freiheit gewöhnt sind und an den Mut, genau das zu schreiben, was wir denken; … dann wird die tote Dichterin, die Shakespeares Schwester war, den Körper annehmen, den sie so oft abgelegt hat.
Virginia Woolfs Essay ‹Ein Zimmer für sich allein› gehört zu den einflussreichsten Texten der Frauenbewegung und geht der Frage nach, warum es bis zum 20. Jahrhundert so wenig bekannte Schriftstellerinnen gab. Woolfs Antwort: Alles, was fehlt, sind fünfhundert Pfund im Jahr und ein eigenes Zimmer. Die männlich geprägte Gesellschaft hatte sich im Lauf der Zeit so eingerichtet, dass Frauen nicht eigenständig sein konnten und keinen privaten Raum zur Verfügung hatten. Materielle Sicherheit und eine private Umgebung sind denn auch die zentralen Forderungen des Essays aus dem Jahr 1929.
Wie steht es heute, fast 100 Jahre später, mit diesen Forderungen und der Eigenständigkeit der (künstlerisch schaffenden) Frau? Dieser und anderen Fragen geht die Schauspielerin Judith Rosmair in einer performativen Lesung gemeinsam mit der Tänzerin Anna Fingerhuth und der Komponistin und Pianistin Anna Bauer nach. Bauer wird dabei elektronische Sounds mit akustischen Klängen vermischen. Woolfs stielprägender Essay wird mit Texten von Patti Smith, Laurie Penny, Nina Power, Simone de Beauvoir und Susan Sontag konfrontiert und so gemeinsam mit Musik und Tanz zu einer Performance, die den gesamten barocken Spiegelsaal samt Terrasse von Schloss Rheder bespielen wird.
Im ersten Teil des Abends wird die in Moskau geborene Autorin Katerina Poladjan aus ihrem Buch ‹Hier sind Löwen› lesen, das für den Deutschen Buchpreis 2019 nominiert war. Der Roman ist eine ganz andere Liebeserklärung an das Buch und an das Schreiben und erzählt von der Buchrestauratorin Helen, die sich geduldig und neugierig dem Erhalt alter Bücher widmet.
Idee, Konzept und Textfassung für den zweiten Veranstaltungsteil stammen von Judith Rosmair.