Eine Wanderung durch das Ravensberger Hügelland
Viele Bäche durchqueren das Ravensberger Hügelland und formen die Landschaft. Täler und Hügel, ein ständiges Auf und Ab prägen das Gelände. In den feuchten, engen Tälern waren jahrhundertelang die Beweidung mit Vieh und die Heuwerbung wesentliche Stützen der Landwirtschaft. Heute bilden die weitverzweigten Bachtäler, die sich für die moderne Nutzung nicht mehr eignen, das Rückgrat der Naturschutzgebiete dieser Region. Viele Pflanzen- und Tierarten, die ringsum in der Landschaft keinen Platz finden, haben sich hierher zurückgezogen. Immer wieder weisen Flächen wie das ‹Stiftsfeld› oder die ‹Klosterheide› auf das 1147 gegründete Stift Quernheim hin. Stiftsdamen, unverheiratete Töchter des niederen westfälischen Adels, betrieben hier erfolgreich ihre Eigenwirtschaft und lebten von den Erträgen der Landwirte, die für das Stift wirtschaften mussten, in ihrer ‹Stiftsherrlichkeit› bis zur Auflösung des Stiftes durch König Jérôme von Westphalen im Jahr 1810.
Die Stiftskirche, ein im Kern romanischer Bau aus dem 12. Jahrhundert, ist der Ausgangspunkt unserer Wanderung. (Bei Regen findet hier die gesamte Veranstaltung statt.) An diesem Ort widmen wir uns einer sehr besonderen Stiftsdame. Adelheid von Stechlin, Domina auf Kloster Wutz, wird in Theodor Fontanes Spätwerk ‹Der Stechlin›, aus dem Eva Spott lesen wird, von ihrem Bruder wenig angetan als ‹halb Königin Elisabeth, halb Kaffeeschwester› beschrieben. Doch wie immer bei Fontane sind auch hier die Verwandten froh, wenn sie irgendwo eine Stiftsdame haben, die sie in der Not unterstützt.
Unsere Wanderung geht vorbei am Bauernbad Rehmerloh. Der denkmalgeschützte Bau aus dem Jahr 1883 ist ein ehemaliges Bade- und Logierhaus, das bis 1973 in Betrieb war und an den Wochenenden zwischen Pfingsten und Erntedank der ländlichen Bevölkerung als Badehaus diente. Hier wird Dietrich Hollinderbäumer aus Knut Hamsuns ‹Segen der Erde› lesen. Der Roman erzählt die Geschichte eines einfachen Bauers, der das karge Land urbar macht. Mit einer schlichten Sprache von fast biblischer Kraft eröffnet er einen Blick in das ländliche Leben und in eine vergangene Welt. In einem großen Bogen, entlang an Bachtälern, Wiesen und Äckern, aber auch durch Siedlungen, kehren wir zum Stift Quernheim zurück.
Für das Ensemble Unterwegs ist das Wandern eng mit dem Musizieren verbunden. So werden sich die Musikerinnen zur Vorbereitung eine Woche lang ohne Handy und Geld auf die ‹Walz› durch die Region begeben. Dabei werden sie auf die Begegnungen mit den Menschen angewiesen sein, mit denen sie dann ihre Musik teilen und im besten Fall Kost und/oder Logis im Tausch erhalten können. Ihre Programme sind von bekannten Kunstliedern und selten gespieltem Liedgut, aber auch von Volksliedern geprägt. Dieses traditionelle Kulturgut birgt viele von Vergessenheit bedrohte Lieder regionaler Mundarten, die das Ensemble am Leben erhalten will. In der Stiftskirche, auf der Klosterheide oder im Buchenhain kombiniert das Ensemble dann ihre Konzerte mit Erzählungen der Wandererlebnisse und begibt sich mit dem Publikum gemeinsam auf die musikalische Walz durch das Ravensberger Land.