In den wärmeren Monaten des Jahres ziehen fast täglich zahlreiche Segelflugzeuge ihre Kreise über der kleinen Bergstadt Oerlinghausen. Der direkt am Teutoburger Wald gelegene Flugplatz Oerlinghausen gehört mit etwa 25.000 Segelflugstarts im Jahr zu den größten weltweit. Schon seit 1927 steigen hier Flugzeuge in den Himmel.
In dieser Pionierzeit der Luftfahrt ist auch der Roman ‹Nachtflug› des französischen Schriftstellers und Piloten Antoine de Saint-Exupéry angesiedelt. In ihm gerät der Postflieger Fabien über Argentinien in eine Gewitterfront während sein Vorgesetzter Rivière und seine Ehefrau die Geschehnisse am Boden hilflos verfolgen müssen. Nachtflüge, auf der Strecke Rio-Buenos Aires 1928 erstmals unternommen, waren damals noch ein gefährliches Wagnis, aber die Konkurrenz durch Dampfer und Eisenbahnen spornte Flugunternehmer zu immer größerer Risikobereitschaft an. In der Konzertlesung der Schauspielerin Jördis Triebel und der Tangoband Cuarteto Rotterdam werden die Schönheit und die Drohung elementarer Kräfte ebenso hörbar wie der Zweifel am Sinn dieses tödlichen Wettstreits.
Mit Stücken wie ‹El Huracan› und ‹Nochero soy› knüpft das Cuarteto Rotterdam an konkrete Geschehnisse des Romans an, vertont mit Luis Brighentis ‹Ensueños› aber auch den schwebenden Zustand Fabiens und führt mitten hinein ist das goldene Zeitalter des Tangos. Die ‹Época de Oro› hatte ihren Ursprung Mitte der 1930er Jahre in Buenos Aires und fasziniert bis heute durch ihren klanglichen Reichtum und die unübertroffene Vielfalt. Auch im ersten Konzertteil greifen die vier Musikerinnen und Musiker Stimmungen aus der vorangegangenen Lesung auf. Sie spielen argentinische und europäische Tango-Kompositionen der Gegenwart ebenso wie einen Auszug aus Vivaldis als Milonga-Vals arrangierte ‹Vier Jahreszeiten›. In ihrem lebhaften Spiel zeigen sie so den Facettenreichtum des Tangos.
Shida Bazyars Roman ‹Drei Kameradinnen› bewegt sich ebenfalls um die Ereignisse einer Nacht, die alles ins Wanken bringen. Seit ihrer gemeinsamen Jugend in der Siedlung verbindet Hani, Kasih und Saya eine tiefe Freundschaft. Jahre später treffen die drei sich wieder, doch egal, ob über den Dächern der Stadt oder auf einer Parkbank, die Blicke, die Sprüche und den Hass, die jetzt so oft ihren Alltag bestimmen, können sie nicht abschütteln. Die 1988 geborene Autorin Shida Bazyar zählt zu den markantesten Stimmen ihrer Generation und sie äußert sich in ihren Büchern ebenso klug wie kompromisslos zu gesellschaftspolitischen Fragen. Diese beiden Aspekte, das große Erzähltalent und die politische Komponente ihres Schreibens, machen die ‹Drei Kameradinnen› zu einem faszinierenden Porträt – dem unserer Gegenwart und dem einer bedingungslosen Freundschaft.