Eigentlich sollte alles ganz einfach sein: Wir haben doch ungleich mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Warum nur misslingt trotzdem häufig zwischenmenschlicher Kontakt? Dieser Frage gehen wir an einem Abend in der Versandhalle der Firma Hörmann nach, bauen eine Bühne vor das Hochregallager, stellen den Lesetisch vor die Torelemente. Denn der Unternehmerfamilie ist die Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen Miteinander ein besonderes Anliegen – wie sie auch ‹Ungeduld des Herzens› verhandelt, der einzige Roman des österreichischen Autors Stefan Zweig. Darin lernt ein junger Leutnant eine gelähmte Adelstochter kennen, entwickelt eine intensive Verbindung zu ihr, hadert aber in der Öffentlichkeit mit ihrer körperlichen Einschränkung. Der Vielschichtigkeit dieses Textes, der erschütternden Gesellschaftsanalyse sowie der hoffnungsvoll stimmenden Klugheit darin verleiht Ulrich Noethen auf seine einmalige Weise Ausdruck.
Doch auch in der Gegenwart klaffen Lücken im Miteinander, sind wir von Teilhabe aller noch weit entfernt, haben nicht zuletzt Lockdowns und Kriege die Menschen weiter auseinanderrücken lassen. Raoul Schrott erkundet in ‹Inventur des Sommers› kunstvoll, klug und sinnlich, wie unser Denken und Fühlen vom Abwesenden geprägt ist. Kann die Poesie das Verlorengegangene zurückbringen, kann sie die fehlende Verbindung sein? In einer eindrucksvollen Lesung führt der vielfach prämierte Autor die Fäden dieses zwischen Essay und Lyrik oszillierenden Bandes zusammen.
Dass echter Austausch gelingen kann, beweisen Anouchka & Katharina Hack: Die Schwestern sind als Duo an Cello und Klavier derart vertraut miteinander, dass sich das gegenseitige Verständnis hören lässt. Besonders, wenn sie andere prominente Geschwisterverhältnisse ausloten, etwa durch die Werke von Fanny Hensel und Felix Mendelssohn-Bartholdy oder von Nadia und Lili Boulanger. Und in der Improvisation machen beide erlebbar, was letztlich alle Kunst will: Tiefgreifende Verständigung, über alle vermeintlichen Grenzen hinweg.