Eine Mutter, drei Väter, drei Töchter – eine sehr spezielle Familienkonstellation beschreibt die Schauspielerin Caroline Peters in ihrem Roman ‹Ein anderes Leben›. Es ist eine Mutter-Tochter-Geschichte und eine zärtliche Hommage an eine exzentrische Mutterfigur: Hanna ist promovierte Slawistin, Bibliothekarin und Dichterin, die ein falsches Wort in Rage versetzen kann, bei Partys Wodka-Gläser an die Wand pfeffert und mit Studenten flirtet. Eine Bohemienne in der Provinz. Denn so freigeistig das Familienarrangement ist, so konventionell sind letztlich doch die Rollen besetzt. Aus der Sicht der jüngsten Tochter erzählt Peters mit großer Einfühlsamkeit von den Fragen einer Tochter an die verstorbene Mutter und an sich selbst – und davon, was es heißt, eigene Wege zu gehen.
Dem gegenüber steht ‹Brief an den Vater› von Franz Kafka. Das Werk, das seinen Adressaten wohl nie erreichte, gehört zu Kafkas berühmtesten autobiografischen Dokumenten und beschäftigt sich mit der schmerzhaften Beziehung zwischen Sohn und Vater. Der Schauspieler Paul Herwig, festes Mitglied des Berliner Ensembles, wird aus dem Brief lesen. Es ist Kafkas Versuch, seinen Vater zu verstehen, um ihrer gestörten Beziehung zu entkommen. Der Brief offenbart aber auch, dass Kafka sich aus seiner prekären Bindung zu seinem Vater nicht zu befreien vermag, ziehen sich Furcht, Liebe und Verachtung doch gleichermaßen durch seine Worte.
Und so blicken wir an diesem Abend im Innenhof des wunderschönen Weserrenaissance-Museum Schloss Brake auf zwei ganz unterschiedliche Beziehungen zwischen Kind und Eltern. Die weltweit gefeierten Musiker Runge & Ammon kreieren dazu eine ganze eigene musikalische Welt, die in Korrespondenz mit den beiden Texten und dem Ort steht. Ein einmaliges Text- und Klangerlebnis.