Songs und Stories über Inzest, Unschuld und Klassenbewusstsein
1977 bekam Sophie Rois die Platte ‹The Kinks Are the Village Green Preservation Society› von der britischen Rockband The Kinks geschenkt, über die sie sagt: ‹Diese Mischung aus Pop und exzentrischer Englishness, rückwärtsgewandt, ironisch und sentimental – für mich hatte das so einen merkwürdigen Zauber. An Prägung war da noch nicht viel gelaufen und so tropften diese Lieder in die Einsamkeit eines Mädchenherzens in der Provinz und haben mich für immer geprägt›. The Kinks, die neben The Beatles, The Who und The Rolling Stones die erfolgreichste britische Band der 1960er Jahre war und zu den Urvätern des Punks und des Britpops zählt, steht gemeinsam mit dem Bestsellerautor Ian McEwan im Zentrum des Abends, der die britischen Künstler auf das Schönste zusammenbringt.
Kinks-Gitarrist und Songwriter Ray Davies widmet sich ähnlichen Themen wie McEwan – den Ängsten der Jugend, ihrer Wut und Aggression – freilich mit ganz anderer, zügelloser Energie. Von der Jugend handelt auch die vor über 40 Jahren erschienene, erste Veröffentlichung Ian McEwans: der Erzählband ‹Erste Liebe – letzte Riten›. Er erzählt von Jugendlichen und wie sie von der Welt der Erwachsenen verdorben werden und ließ seine Leserinnen und Leser schockiert zurück. Berühmt und berüchtigt ist bis heute die Erzählung, in der Bruder (15) und Schwester (10) im Bett sitzen und ‹Vati und Mutti› spielen wollen, bis die Sache immer peinlicher wird, weil die panisch gesuchte Körperöffnung nicht gefunden werden kann … McEwan beschreibt, wie die Unschuld der Kindheit schnell und brutal von der Pubertät beendet wird und welchen Zauber die ersten Erlebnisse der Erwachsenenwelt trotz aller Verlorenheit entfalten können.
Sophie Rois, die McEwans Erzählband für sein bestes Buch hält, unternimmt gemeinsam mit den Musikern Clemens Maria Schönborn und Mark McRae eine Reise in die vergangene Epoche des 20. Jahrhunderts und präsentiert einen Abend, der auch eine Hommage an Großbritannien ist. Der in London geborene McRae arbeitet als Komponist und Songwriter, u. a. für die Produzenten von David Bowie und Robbie Williams. Clemens Maria Schönborn ist Autor, Filmemacher und Theaterregisseur. Mit Sophie Rois verbindet ihn eine lange künstlerische Zusammenarbeit, in der verschiedene Arbeiten für Film, Theater und Hörfunk entstanden.
Der Abend wurde von Clemens Maria Schönborn eingerichtet.
Draußen tobt der Konsens, während ich hier drinnen versuche, Tradition und Anarchie gleichermaßen aufrechtzuerhalten!
Sophie Rois ist die Schauspielerin in Residence 2020
‹Man wird doch Schauspieler, weil man nicht arbeiten möchte. Weil man diesen Moment der Freiheit sucht. Es geht auf der Bühne darum, das Leben auf den Kopf zu stellen und nicht noch einmal möglichst präzise nachzuhampeln.›
Fast 25 Jahre war Sophie Rois an der Berliner Volksbühne engagiert. (‹Nein, ich spiele nicht gerne Theater, sondern ich bin an der Volksbühne.›) Von dort aus hat sie sich zu einer maßgeblichen Protagonistin des zeitgenössischen Theaters gespielt und nach ihrem Engagement am Deutschen Theater Berlin wird sie nun auch wieder dorthin zurückkehren. Hier hat sie mit stilprägenden Regisseuren wie Frank Castorf, Christoph Schlingensief, René Pollesch und Luc Bondy gearbeitet und wurde schnell zum Publikumsliebling. Mit ihrer berühmt gewordenen Stimme war sie stets herauszuhören und schnell unverwechselbar. Aber nicht nur ihre Stimmkunst, sondern vor allem ihre Gedankenschärfe begründet ihren Ruhm. Wer der Rois beim Spielen zusieht, sieht Gedanken entstehen, die sie mit der ihr typischen Mischung aus Selbstbewusstsein und der Verwunderung, dass sie jetzt hier auf der Bühne steht, der Zuschauerin bzw. dem Zuschauer präsentiert. Das wirkt bisweilen befreiend komisch wie in einer Screwball-Komödie. Diese Mischung aus Geist und Gelächter nennt Rois ‹eine Form des hochreflexiven Boulevards›. Mit ihr versucht sie in ihrem Spiel gar nicht, sich in jemand anderen zu verwandeln, sondern sucht stets nach dem, was ihre Schauspielerpersönlichkeit der Rolle geben kann. Im besten Fall wird sie so zu einem Mischwesen, das – wie sie sagt – ‹nicht man selbst, aber auch nicht jemand anderes› ist.
Seit vielen Jahren ist Sophie Rois darüber hinaus eine gefragte Sprecherin für Hörbücher und bekam dafür zweimal den Deutschen Hörbuchpreis zugesprochen. Auch die Filmwelt ist auf sie aufmerksam geworden und im Laufe der Zeit hat sie u. a. mit Regisseuren wie Detlev Buck, Jean-Jacques Annaud und Tom Tykwer gearbeitet. Zuletzt war sie in dem Kinofilm ‹Weitermachen Sanssouci› und der ORF-Miniserie ‹M – Eine Stadt sucht einen Mörder› zu sehen. Für ‹Wege durch das Land› wird Sophie Rois auf dem Gutshof Schulte-Drüggelte am Möhnesee drei Abende konzipieren, zu denen sie Kolleginnen und Kollegen eingeladen hat und an denen sie lesen, spielen und auch singen wird.
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