‹Kunst ist Mensch plus Natur›, so beschrieb im 19. Jahrhundert Vincent Van Gogh die Wichtigkeit einer seiner größten Inspirationsquellen. Die Antriebskraft vieler Kunstschaff enden liegt seit jeher in der Betrachtung der Natur. Sei es in der Form eines objektiv-beobachtenden Naturalismus oder in einer romantischen Verklärung der Natur: Was der Mensch sieht, wenn er sich vor die eigene Haustür wagt, birgt Schönheit und Überraschungen, aber auch Rohheit und Gewalt. Von der Natur in ihrer unberührten Form schrieb Annie Dillard in ihrem 1974 erschienen Buch ‹Pilger am Tinker Creek›. Darin beschreibt die staunende Beobachterin einen Jahreszyklus in den Virginia Blue Mountains und erschafft ein Werk, das naturphilosophisch und metaphysisch zugleich in einer eigenen lyrischen Sprache einen Lobgesang auf die Landschaft anstimmt ohne sich jemals in ihrer bloßen Bewunderung zu verlieren. 2016 erschien ‹Pilger am Tinker Creek› in der Reihe der ‹Naturkunden› des Matthes & Seitz Verlages Berlin, herausgegeben von Judith Schalansky, die selbst Schriftstellerin vielfach ausgezeichneter Romane ist und die Auszüge daraus lesen wird.
Das Kulturgut Winkhausen, eine ehemalige Rentei der Familie von Fürstenberg, lädt an diesem Abend zum Verweilen ein. Das Ensemble von Fachwerkgebäuden rund um die Zehntscheune schmiegt sich in die Landschaft der weitläufigen Wiesen und Wälder ein. Auch die Nähe der Hederaue und des Flusses Lippe lassen eine Naturverbundenheit spüren. Ein wunderbarer Ort also, um mit Adalbert Stifters 1853 erschienen Erzählbänden ‹Bunte Steine› einen der wichtigsten Vertreter des Biedermeiers zu Gehör zu bringen. Der österreichische Schriftsteller wurde seit jeher für seine präzisen Naturdarstellungen geschätzt, sein Werk wurde von Friedrich Nietzsche als ‹Schatz der deutschen Prosa› bezeichnet. Diesen Schatz birgt der Schauspieler Dimitrij Schaad mehr als 150 Jahre nach dessen Erscheinen. Schaad, der unter anderem Ensemblemitglied des Maxim-Gorki-Theaters Berlin ist, führt die Zuhörerinnen und Zuhörer auf die Pfade von Stifters Naturbeobachtungen.
Einem Ruf zum Aufbruch in die Natur kommt auch der Klang eines Waldhornes gleich. Nicht nur in Schumanns ‹Adagio und Allegro›, sondern auch in Rheinbergers Sonate finden sich sowohl Jagdmotivik als auch warme Kantilenen wieder. Der Hornist Felix Klieser, ECHO Klassik Preisträger von 2014, wird von Boris Kusnezow am Piano begleitet. Das Duo verbindet kongenial den sehr weichen, raumfüllenden Hornklang mit dem kraftvollen Klang des Pianos und bringt zum Ausdruck, wie sich in der Hochromantik aus der Abwendung vom Höfischen eine zunehmende Naturverbundenheit entfaltete.
Die Künstler:innen
Judith Schalansky / Biografie
Judith Schalansky studierte Kunstgeschichte und Kommunikationsdesign in Berlin und Potsdam. Ihr Debüt als Autorin feierte sie 2006 mit ihrem typografischen Kompendium ‹Fraktur mon Amour›, 2008 folgte ihr literarisches Debüt ‹Blau steht dir nicht›. 2009 erhielt sie das Stipendium der Villa Aurora in Los Angeles und veröffentlichte den kartographischen Roman ‹Atlas der abgelegenen Inseln›, der im selben Jahr den ersten Preis der Stiftung Buchkunst und damit den Titel ‹Schönstes deutsches Buch› gewann. 2012 konnte sie diesen Erfolg mit dem Roman ‹Der Hals der Giraffe› wiederholen. Im Wintersemester 2016/17 hatte sie die ‹Poetikdozentur: junge Autoren› der Hochschule RheinMain in Wiesbaden inne, gefolgt von der Tübinger Poetik-Dozentur im Jahre 2019. Neben ihrer Tätigkeit als freie Schriftstellerin und Buchgestalterin ist sie seit 2013 auch Herausgeberin der Reihe ‹Naturkunden› des Verlages Matthes & Seitz Berlin.
Dimitrij Schaad / Biografie
Der Schauspieler und Autor Dimitrij Schaad, geboren 1985 in Kasachstan, studierte von 2005 bis 2009 an der Bayerischen Theaterakademie August Everding und der Theaterakademie St. Petersburg. Er stand bereits bei den Münchner Kammerspielen sowie beim Schauspielhaus Bochum auf der Bühne. Er wurde 2011 mit dem Bochumer Theaterpreis und beim NRW-Theatertreffen sowie 2014 in der Kritikerumfrage der Zeitschrift Theater heute als bester Nachwuchsdarsteller ausgezeichnet. Von 2013 bis 2019 war er am Maxim-Gorki-Theater Mitglied des Ensembles. Auch in Filmen ist er regelmäßig zu sehen, darunter ‹Die Känguru-Chroniken› 2020 sowie die Fortsetzung ‹Die Känguru-Verschwörung› letztes Jahr. Er spielte ebenfalls in Serien wie ‹Das Boot› 2020 auf Sky, ‹Wir Kinder vom Bahnhof Zoo› im selben Jahr auf Amazon oder ‹Kleo› letztes Jahr auf Netflix mit. Seit Herbst letzten Jahres ist er außerdem Mitglied der Deutschen Filmakademie und war zuletzt in dem Film ‹Aus meiner Haut› zu sehen, wo er mitspielte, das Drehbuch schrieb und an der Produktion beteiligt war. Der Film feierte Ende letzten Jahres seine Premiere auf den Internationalen Filmfestspielen von Venedig und wurde Anfang dieses Jahrs in den deutschen Kinos ausgestrahlt.
Felix Klieser / Biografie
Der Hornist Felix Klieser begann 2004 mit nur 13 Jahren sein Studium an der Hannoveraner Musikhochschule. Bis 2011 musizierte er im Bundesjugendorchester, begleitete Sting bei dessen Deutschlandtournee und bestritt mehrere Tourneen mit verschiedenen Orchestern und Kammermusikpartnern. 2013 erschien, gemeinsam mit dem Pianisten Christof Keymer, sein Debüt-Album ‹Reveries›, für welches er im Folgejahr sowohl den ECHO Klassik als Nachwuchskünstler des Jahres als auch den Musikpreis des Verbandes der Deutschen Konzertdirektionen erhielt. Des Weiteren wurde er mit dem Life Award 2010 in der Kategorie Kunst und dem Leonard-Bernstein-Award des Schleswig-Holstein-Musikfestivals 2016 ausgezeichnet. Im Jahr 2014 erschien seine Autobiographie ‹Fußnoten – Ein Hornist ohne Arme erobert die Welt›. Sein aktuelles Album ‹Mozart Hornkonzerte 1-4› erschien 2019 in Kooperation mit dem renommierten Orchester Camerata Salzburg.
Boris Kusnezow / Biografie
Boris Kusnezow begann 1990, im Alter von fünf Jahren, am Gnessin-Institut Moskau seine Ausbildung zum Pianisten. 1998 wurde er bei Prof. Heidi Köhler an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover Jungstudent, wechselte 2004 als regulärer Student in die Klavierklasse von Prof. Bernd Goetzke und ergänzte 2007 seine Hochschulausbildung durch ein Studium der Liedbegleitung bei Prof. Jan Philip Schulze. Seitdem spielte er zahlreiche Auftritte in Europa und Asien, etwa im Großen Saal der Laeiszhalle Hamburg, an der Berliner Philharmonie oder bei dem Musikfestival Kissinger Sommer. Zudem gewann er zahlreiche Preise, unter anderem 2009 den Preis des Deutschen Musikwettbewerbs oder 2011 den ersten Pianistenpreis beim Paula-Salomon-Lindberg-Wettbewerb in Berlin. Im Jahr 2012 bekam er sowohl gemeinsam mit seiner Duo-Partnerin Byol Kang ein Borletti-Buitonie Trust Fellowship. Weiterhin erhielt er gemeinsam mit der Cellistin Janina Ruh ein Stipendium des Deutschen Musikwettbewerbs und den Sonderpreis der Deutschen Stiftung Musikleben. Boris Kusnezow wurde er 2012 vom damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck dazu eingeladen, ein Konzert anlässlich des 50. Gründungsjubiläums der Stiftung Schloss Bellevue zu halten.
Ablauf
18:00
Uhr
Lesung
Judith Schalansky
Annie Dillard Pilger am Tinker Creek
Konzert
Felix Klieser
Horn
Boris Kusnezow
Klavier
Robert Schumann Adagio und Allegro für Horn und Klavier As-Dur op. 70
Richard Strauss Andante für Horn und Klavier C-Dur op. posth.
Ludwig van Beethoven Sonate für Horn und Klavier F-Dur op. 17
ca. 19:30
Uhr
Pause
ca. 20:30
Uhr
Lesung
Dimitrij Schaad
Adalbert Stifter Bunte Steine
Konzert
Felix Klieser
Horn
Boris Kusnezow
Klavier
Reinhold Glière 4 Stücke für Horn und Klavier op. 35
Joseph Gabriel Rheinberger Sonate für Horn und Klavier Es-Dur op. 178
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