Literarisch-musikalische Wanderung
… /Die Stämme stehen gedrängt wie Lettern/nur verstehen wir ihre Schriftzüge nicht›
Und so werden die Gedichte beim Lesen zur Landschaft. Gerhard Falkners neuer Gedichtband ‹Schorfheide› führt in die urwüchsige Natur vor den Toren Berlins, um dort das Hören und Sehen, das Betrachten, das Beachten und Verknüpfen zu reaktivieren. ‹Man kann mit diesen Gedichten wirklich durch die Landschaft gehen, man sieht verschiedene Tiere, Pflanzen, Landschaftsbilder, das ist alles da und das macht diese Lyrik […] so sinnlich abenteuerlich›, heißt es in einer Rezension des rbbKultur. Auf den Wegen durch das Land begleitet uns Falkner, der zu den bekanntesten Lyrikern des Landes zählt. Die Wanderung durch die seit Jahrhunderten unveränderte Kulturlandschaft des Ravensberger Hügellandes beginnt auf dem denkmalgeschützten Hof Meyer zur Müdehorst, der einer der ältesten Gehöfte Bielefelds ist. Schon zu Zeiten Karl des Großen wurde Müdehorst erwähnt. Der Edelherr Waltger von Dornberg hat hier 789 das erste Kloster in Westfalen gegründet. Davon zeugt auch die Kirchenruine Müdehorst, deren Grundmauern erst vor wenigen Jahren freigelegt wurden.
Unser Weg führt durch eine abwechslungsreiche Wald- und Feldlandschaft mit weiten Ausblicken auf den Teutoburger Wald. Unterwegs wird uns die Schauspielerin Lisa-Katrina Mayer Prosa und Gedichte von Sarah Kirsch vorstellen, in deren literarischen Schaffen die Natur sprachlich vermessen wird: ‹Die Bäume in diesen windzerblasenen/Das Land überrollenden Himmeln/Sind höher als die zusammengeduckten/Gluckenähnlichen Kirchen, und Wolken›. Kirsch war zunächst Waldarbeiterin, später studierte sie Biologie und schließlich literarisches Schreiben. Mit ihrer Arbeit hat die Büchner-Preisträgerin zeitlebens versucht, ihre beiden Leidenschaften, die Natur und die Literatur, zu vereinen und wurde zu einer der bedeutendsten Stimmen der deutschsprachigen Naturlyrik.
Auf den Streuobstwiesen vor dem Meyerhof wird sich das Duo Aliada musikalisch mit dem Thema Freiheit beschäftigen. Die ‹Dance Preludes› von Witold Lutosławski, der in seine Kompositionen im kommunistischen Polen Volkselemente implementieren musste, damit die Musik weniger westlich und zeitgenössisch wirkte, stehen exemplarisch für die fehlende Freiheit im künstlerischen Schaffen vieler Komponistinnen und Komponisten. Unterwegs spielen der Saxophonist Michał Knot und der Akkordeonist Bogdan Laketic von der Landschaft inspirierte Volkslieder und die ‹Lyriske stykker› von Edvard Grieg. Die Wanderung endet an der Klosterruine Müdehorst. An diesem Ort, an dem sich noch einmal ein weiter, schöner Ausblick auf das Ravensberger Hügelland auftut, erklingen schließlich die ‹Goldberg-Variationen› von Johann Sebastian Bach.