Rituale sind seit Menschengedenken ein fester Bestandteil aller Kulturen. Festgelegte und vorherbestimmte Abläufe führen dabei in der perfekten Ausführung zu einer ganz eigenen Art von Freiheit. Die Hintergründe der Rituale ähneln sich in allen Kulturkreisen. Es geht um Fragen, mit denen sich auch die Weltreligionen auseinandersetzen – um Leben und Tod und um Selbstbestimmung als menschliches Wesen. Grund genug für die Capella de la Torre, die scheinbar völlig entfernten Welten der Renaissancepolyphonie und des Karate Shōtōkan zusammenzuführen und dadurch einen neuen Raum, eine neue Dimension entstehen zu lassen. Zusammen mit der Sopranistin Margaret Hunter und dem Karateka Maurizio Castrucci kombiniert die Capella de la Torre Josquin Desprez‘ ‹Missa Pange Lingua› mit Gregorianik und drei verschiedenen Shōtōkan Kata, die sowohl in Stille als auch zu Musik ausgeführt werden. Die verbindenden Elemente sind dabei einerseits der Rhythmus in Musik und Bewegung sowie der Fluss des Atems, der sowohl in den Kampfkünsten als auch beim Musizieren, besonders für die Blasinstrumente der Capella, eine entscheidende Rolle spielt.
Dem gegenüber steht der Glaube an die Kraft des Universums und die Idee, diese Kraft aufzunehmen und zu bündeln. Eine Technik, die zentral für die sogenannte Samurai-Kultur ist, der Lebens- und Glaubensform der japanischen Krieger des vorindustriellen Zeitalters. Die Samurai sind bis heute ein zentrales Topos der japanischen Kultur und wir wollen im Theater im Park eines ihrer wichtigsten Zeugnisse vorstellen: Eiji Yoshikawas Roman ‹Musashi›, der zwischen 1935 und 1939 entstanden und eines der wichtigsten japanischen Bucher des 20. Jahrhunderts ist. Der ausufernde Roman ist eine Reise in die Welt der Samurai und erzählt die Geschichte Musashis, dem größten Schwertkämpfer des 17. Jahrhunderts, der von Yoshikawa als ein Vorbild an Kampfesmut, Selbstdisziplin und künstlerischer Sensibilität gezeichnet wird. Sein Weg als Samurai beginnt auf dem Schlachtfeld von Sekigahara und führt durch ein breites Spektrum der japanischen Gesellschaft zu Aussätzigen, Bauern, Handlern, Schwertadeligen und Kaisern und vermischt meisterhaft historische Fakten mit spannungsgeladener Fiktion. Der Schauspieler Peter Lohmeyer wird für uns aus Yoshikawas Epos lesen.