Ein preußisches Verteidigungsgebäude wollte das Fort A einst sein. Doch wie das mit großen Bauprojekten so ist: Bei seiner Einweihung war der Komplex eigentlich schon überholt. Und wartete über 140 Jahre, bis die Tucholsky Bühne das Gelände aufwändig sanierte und als Theaterspielstätte zu nutzen begann. Doch neben Drama weht auch der Geist militärischer Vergangenheit noch um die Mauern – und weil das Donnern von Detonationen dieser Tage wieder schrecklich nah ist, widmen wir einen Abend dem Spagat von Krieg zu Kunst. Demian Lienhard, der mit ‹Mr. Goebbels Jazz Band› diese Gegensätze aufgreift, erzählt die groteske, aber wahre Geschichte der gleichnamigen Formation, die wortwörtlich um ihr Überleben spielte. Als Teil der NS-Propaganda brachten jüdische und homosexuelle Musiker Swing-Stücke mit Hetztexten ins britische Radio. Der Roman folgt einem Schriftsteller, der eine Lobeshymne auf dieses perfide Projekt schreiben soll.
Jazz kommt, wie allerlei Musikrichtungen, kaum ohne Rhythmusinstrument aus. Dass Percussion auch allein eine wahrhaft orchestrale Wucht entfalten kann, beweist Johannes Fischer. Mit einer erstaunlichen stilistischen Vielfalt (und auf einer erstaunlichen Menge an Schlaginstrumenten) nimmt der Musiker die soldatischen Schwingungen des Ortes auf und transformiert Marschklänge in kunstvolle Tremoli, mit verschiedenen Werken namhafter Komponisten, aber auch mit Eigenkompositionen und Improvisation. Die Atemlosigkeit vor dem Konflikt, die Stille vor der Katastrophe hat kaum jemand so treffend porträtiert wie Florian Illies mit seinem jüngst erschienenen Buch ‹Liebe in Zeiten des Hasses›. Darin erleben Katja und Thomas Mann, Berthold Brecht und Helene Weigel, Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre und andere Paare das verhängnisvolle Jahr 1933. Lavinia Wilson liest vom Zusammensein angesichts des Untergangs und entlockt dem Text gleichermaßen verstörende Aktualität wie Passagen voll Hoffnung.
Um 16:00 Uhr sowie um 19:15 Uhr werden Führungen durch das Fort A angeboten. Anmeldung unter: info@wddl.de
Die Künstler:innen
Demian Lienhard / Biografie
Lavinia Wilson / Biografie
Die Schauspielerin Lavinia Wilson, 1980 in München geboren, hatte ihr Kinodebüt 1991 bereits im Alter von 11 Jahren mit dem Film ‹Leise Schatten› von Sherry Hormann. Noch zu Schulzeiten folgen weitere Film- und Fernsehproduktionen, so die erste Hauptrolle 1996 in Connie Walthers ‹Das Erste Mal›. Im Jahr 2004 übernahm sie die Hauptrolle einer psychisch Kranken in dem vielfach ausgezeichneten Film ‹Allein›. Nach Ausflügen ans Theater kehrt sie 2007 mit der österreichischen Horvath-Adaption ‹Freigesprochen› zum Film zurück und erhält für ihre Rolle als Ira Engel in ‹Frau Böhm sagt Nein› 2010 den Grimme-Preis. Neben der Schauspielerei machte Lavinia Wilson 2013 ihren Magisterabschluss in Philosophie, Geschichte und Soziologie. Im Jahr 2017 und 2019 spielt sie in den Serien ‹Deutschland 86› sowie ‹Deutschland 89› die Hauptrollen und ebenfalls 2019 die Titelrolle im österreichischen Kinofilm ‹Was wir wollen›. Es folgen 2020 Hauptrollen in der mit dem Grimme-Preis gekrönten Corona-Serie ‹Drinnen› von ZDFneo sowie der Netflix-Produktion ‹Billion Dollar Code› von Robert Thalheim. 2021 war sie in der ARD-Mini-Serie ‹Legal Affairs› als Star-Anwältin Leo Roth zu sehen, wofür sie von der Deutschen Akademie für Fernsehen mit dem Preis als beste Schauspielerin geehrt wurde. Aktuell sieht man sie in der Literaturadaption von ‹Der Pfau› im Kino.
Johannes Fischer / Biografie
Der Schlagzeuger Johannes Fischer, geboren 1981, erhielt als Komponist bereits zahlreiche Aufträge, unter anderem vom Lucerne Festival, von der BBC und der Royal Philharmonic Society sowie vom Bayerischen Rundfunk. Er ist sowohl als Solist als auch als Kammermusiker, vor allem mit dem eardrum percussion duo sowie mit dem Trio Belli-Fischer-Rimmer international regelmäßig unterwegs. Er konzertierte bereits in Sälen wie dem Musikverein und dem Konzerthaus in Wien, der Alten Oper Frankfurt, der Elbphilharmonie Hamburg, in Carnegie‘s Zankel Hall in New York oder in der Kölner und Berliner Philharmonie. Sein Repertoire umfasst wichtige Werke des 20. und 21. Jahrhunderts, darunter Kompositionen von Steve Reich, Iannis Xenakis oder Karlheinz Stockhausen. Doch außerdem arbeitet er in letzter Zeit vermehrt an elektroakustischen Solokonzepten und beschäftigt sich neben Kompositionen mit der Improvisation am Schlagzeug. Zusätzlich ist er schon lange als Schlagzeugprofessor an der Musikhochschule in Lübeck tätig.
Ablauf
18:00
Uhr
Lesung
Demian Lienhard
Mr. Goebbels Jazz Band
Konzert
Johannes Fischer
Steve Reich Drumming Part I (Solo-
Version für 4 Trommeln und Elektronik)
Gerard Zinsstag u vremenu rata
(in Zeiten des Krieges)
Bruce Hamilton Interzones
Cole Porter All of you (arr. Johannes Fischer)
19:30
Uhr
Pause
20:30
Uhr
Lesung
Lavinia Wilson
Florian Illies Liebe in Zeiten des Hasses
Konzert
Johannes Fischer
Askell Masson Prim
Johannes Fischer l’ange bleu (Marlene Dietrich Suite)
Christian Wolff/Johannes Fischer Peace March No. 2
Louis Armstrong Wonderful World (arr. Johannes Fischer)
ÖPNV-Hinweise
600 m ab Minden (Westf.) Hbf.; Bus 7 bis ‹Kornhaus›
Barrierefreiheit
Parken
Rampe
Toilette
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