Alle Triumphe gleichen einander, aber alle Niederlagen sind Niederlagen auf ihre ganz eigene Weise – wie dieser Satz das Lew Tolstoi-Zitat verfehlt, so scheitert auch der ganze Abend. Und das ist Absicht: In der Unibibliothek Bielefeld, wo zwar tagtäglich triumphiert, noch viel öfter aber an Fußnoten, Recherchen und schnöden Formvorgaben verzweifelt wird, sollen einmal die künstlerischen Sackgassen im Mittelpunkt stehen.
Dabei scheinen manche gar keine Sackgassen zu kennen: Ein Autor wie Saša Stanišić hat immerhin den Preis der Leipziger Buchmesse, den Deutschen Buchpreis und viele weitere Ehrungen erhalten, von der Bewunderung zahlreicher Leser:innen gar nicht zu reden. Aber welche Schönheit gerade den misslungenen Anläufen innewohnt, welche Eleganz gerade im Fehlschlag liegen kann, zeigt der Autor von ‹Herkunft› und ‹Vor dem Fest› mit einem Einblick in seine Schreibtischschublade: Nur für ‹Wege durch das Land› liest Stanišić aus Zusatzmaterialien, unveröffentlichten Kapiteln und wunderbar wagemutigen Halbsätzen.
Er wird ergänzt von einem anderen großen Unvollendeten: Der viel zu früh verstorbene Wolfgang Herrndorf hinterließ mit ‹Bilder deiner großen Liebe› einen Romananfang, dessen schmerzhafte Brillanz Dimitrij Schaad noch einmal zum Klingen bringt. Was hätte dieser Text werden können! Und was ist er nicht zugleich auch geworden: eine verheißungsvolle Ruine, ein erhabenes Fragment.
Dass auch abgeschlossene Werke fragmentarisch gedacht werden können, ja, dass das sogar beflügelnd ist, führt das Porter Percussion Duo vor: Die Schwestern Vanessa und Jessica Porter spielen Scarlatti, Bach und Debussy – auf Marimba- und Vibraphon. So trotzen sie altbekannten Werken völlig neue Aspekte ab und verwandeln abgeschlossene Sätze in virtuose Fortsetzungen.