Auf die Frage, was Künstler:innen in ihrem Schaffen beeinflusst, findet man häufig Erklärungen in den Biografien. Kunst hat eine einigende Kraft – ein Text oder ein Lied verbindet uns selbst mit der Welt. Kreativität ist dabei der Antrieb dafür, gehört oder gelesen zu werden. Und so geben wir auf Schloss Wehrden besonderen Musikstücken und außergewöhnlichen Texten einen Raum, sich zu entfalten – an einem Ort, an dem sich schon viele Künstler:innen getroffen haben und der der Kreativität eine Heimat gibt. Anfang der 1920er Jahre hat Maurice Ravel das vielleicht bedeutendste Werk für Violine und Violoncello komponiert: die ‹Sonate en quatre parties›. Zeitlos erscheint das Stück, das für den Komponisten einen Wendepunkt seines Schaffens markiert. Entgegen der Erwartungen vollzog Ravel, wie er selbst zugab, eine ‹extreme Kehrtwende› in seiner Musik. Weg vom harmonischen Charme seiner frühen Werke, wandte er sich hin zu einer radikalen Linearität der Stimmführung mit oft dissonanter Wirkung. Solocellistin Sennu Laine und der Konzertmeister Wolfram Brandl von der Staatskapelle Berlin werden u. a. diese Sonate spielen.
Tove Ditlevsen schreibt in ihrer autobiografischen ‹Kopenhagen-Trilogie› über das Streben, sich als Künstlerin auszuleben – dem Antrieb, aus der Enge gesellschaftlicher Konformität auszubrechen und dem eigenen Leben einen selbstgewählten Sinn zu geben. Für die Autorin war dies ebenfalls ein Wendepunkt in ihrem Schreiben. Franziska Hartmann wird aus dem bewegenden, schonungslosen ersten Teil ‹Kindheit› lesen und gibt dem kleinen Mädchen Tove eine Stimme, die vom Leben als Schriftstellerin träumt, heimlich unter der Bettdecke Gedichte schreibt und sich in ärmlichen Verhältnissen zu behaupten versucht.
Auch Billie, die Protagonistin in Elena Fischers Debütroman ‹Paradise Garden›, schwankt zwischen romantischen Träumereien und alltäglicher Tristesse. Ein Roman über melancholische Gedanken, die Flucht in die Fantasie und Wendepunkte. Und über die Sehnsucht, die bleibt: ‹wie ein Mückenstich an einer Stelle meines Körpers, wo ich zum Kratzen nicht hinkam›.
Elena Fischer, geboren 1987, hat Komparatistik und Filmwissenschaft in Mainz studiert. 2019 und 2020 nahm sie an der Darmstädter Textwerkstatt unter der Leitung von Kurt Drawert teil. Bereits mit einem Auszug aus ihrem 2023 veröffentlichten Debütroman ‹Paradise Garden› war sie 2021 Finalistin beim 29. open mike, dem wichtigsten deutschsprachigen Nachwuchswettbewerb für Lyrik und Prosa. 2021 gewann Fischer den Literaturförderpreis der Landeshauptstadt Mainz für junge Autorinnen und Autoren. ‹Paradise Garden› wurde schließlich im August 2023 veröffentlicht – eine berührende Coming-Of-Age-Geschichte um das Mädchen Billie, die ihre Mutter verliert und sich auf die Suche nach ihrem Vater macht. Hochgelobt vom Feuilleton, stand ihr Debüt u. a. auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2023 und war nominiert für den Debütpreis des Harbour Front Literaturfestivals.
Franziska Hartmann, geboren 1984 bei München, studierte Schauspiel an der Hochschule für Musik und Theater Felix-Mendelssohn-Bartholdy in Leipzig. Schon währenddessen spielte sie an mehreren Theatern, bevor sie 2009 festes Ensemblemitglied am Thalia Theater Hamburg wurde. Dort ist sie in zahlreichen Produktionen zu sehen, zum Beispiel in ‹Panikherz›, ‹Tschick› oder ‹Das Achte Leben›. Sie arbeitet unter anderem mit den Regisseur:innen Antú Romero Nunes, Jette Steckel und Christopher Rüping. Seit 2018 ist Franziska Hartmann als freie Schauspielerin sehr erfolgreich für Film und Fernsehen tätig. Unter anderem konnte man sie in dem Drama ‹Über Barbarossaplatz› von Jan Bonny sehen, wofür sie von der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste mit dem Sonderpreis für herausragende darstellerische Leistung ausgezeichnet wurde. Im selben Jahr erhielt sie den Deutschen Hörbuchpreis. Für ihre Darstellung in dem Kinofilm ‹Sterne über uns› von Tina Ebelt wurde sie 2020 unter anderem in der Kategorie Schauspielerin in einer Hauptrolle mit dem Preis der Deutschen Akademie für Fernsehen ausgezeichnet. 2023 konnte sie mit dem Kinofilm ‹Monster im Kopf› diese erfolgreiche Zusammenarbeit fortsetzen. Der Film lief auf zahlreichen Festivals und konnte diverse Nominierungen, Preise und Auszeichnungen gewinnen. Zuletzt war Franziska Hartmann in Stephan Lacants Film ‹Kalt, im Polizeiruf – Du gehörst mir› von Jens Wischnewski und in ihrer eigenen ZDF-Reihe ‹Katharina Tempel› zu sehen. 2023 gewinnt sie mit der Miniserie ‹Neuland› den Grimme Preis im Wettbewerb Fiktion.
Die finnische Cellistin Sennu Laine begann mit sechs Jahren, bei dem ungarischen Pädagogen Csaba Szilvay Violoncello zu spielen. Sie studierte an der Sibelius Akademie Helsinki bei Prof. Erkki Rautio und am Edsberg Musik Institut in Stockholm bei Prof. Frans Helmerson. 1990 erhielt Laine den 3. Preis beim Turku Nordic Cello Wettbewerb, und 1996 gewann sie den 1. Preis beim Internationalen Musikwettbewerb der ARD in München. 1997 wurde sie als 1. Solo-Cellistin an die Staatskapelle Berlin engagiert und arbeitet dort auch als Mentorin für Violoncello. Sennu Laine war Gast bei renommierten Festivals wie z. B. dem Schleswig-Holstein Musik Festival, dem MDR Musik Sommer, dem Jerusalem Chamber Music Festival und dem Barge Music Festival in New York.
Wolfram Brandl wurde 1975 in Würzburg geboren. Im Alter von acht Jahren erhielt er den ersten Geigenunterricht bei seinem Vater. Zu Schulzeiten hatte er Unterricht bei Prof. Max Speermann in Würzburg und gewann mehrfach 1. Preise bei Wettbewerb ‹Jugend musiziert› auf Bundesebene. Mit Unterstützung der Jürgen-Ponto-Stiftung ging er nach seinem Abitur 1994 nach Berlin, um an der Universität der Künste bei Prof. Uwe-Martin Haiberg zu studieren. Bevor er 2011 1. Konzertmeister der Staatskapelle Berlin unter Daniel Barenboim wurde, war er zehn Jahre lang erster Geiger bei den Berliner Philharmonikern. Neben seiner Tätigkeit als Konzertmeister ist Brandl 1. Geiger des Scharoun Ensembles Berlin, was 1983 von Mitgliedern der Berliner Philharmoniker gegründet wurde. Mit dieser Kammermusikformation gastierte er u. a. in der Carnegie Hall New York, der Wigmore Hall London, im Konzerthaus in Wien, dem Concertgebouw Amsterdam und der Scala in Mailand. So ergaben sich viele künstlerische Impulse aus Begegnungen mit Pierre Boulez, Christoph Penderecki, Heinz Holliger, Thomas Adés, Matthias Pintscher, Brett Dean und Jörg Widmann. Zahlreiche Aufnahmen dokumentieren seine Arbeit und sind mit Preisen wie dem Echo.