Ereignisse der Vergangenheit holen uns oft unvermittelt ein. Der vielfach ausgezeichnete Autor Michael Lentz hat sich bereits in seinem Text ‹Muttersterben› intensiv mit der eigenen Vergangenheit, den Themen Herkunft und Familie, Liebe und Tod beschäftigt. In seinem neusten Roman ‹Heimwärts› geht er noch einen Schritt weiter: Aus dem Sohn ist selbst ein Vater geworden. Und er stellt sich die Frage: Wie kann man ein besserer Vater als der eigene werden?
‹Heimwärts› erzählt von einer immer noch mächtigen Kindheit, die im Alltag präsent ist und in den banalsten Situationen zum Vorschein kommt. Doch zugleich versucht Lentz, der nächsten Generation, der Gegenwart, eine Stimme zu geben. Er wird aus seinem Roman lesen, über eine Kindheit zwischen Apfelkuchen und Zorn in den unheimlichen Jahren der alten Bundesrepublik. Auch dem vor kurzem verstorbenen bosnischen Schriftsteller Dževad Karahasan gelingt es, die losen Fäden im Leben seiner Charaktere aufzuspüren – Geschichte, Gegenwart und Details des Alltags miteinander zu verknüpfen. In seinen Texten wirken Ereignisse noch Jahrzehnte später nach, unberechenbar und eigensinnig wie unsere Erinnerungen.
Christian Erdmann wird die Erzählung ‹Samtblumen an ihrer statt› lesen. Darin lässt Karahasan seinen Protagonisten Tahir nach dem Bosnien-Krieg aus Australien zurückkehren. Verwirrt und doch selbstgewiss wandert er durch Duvno und besucht Orte seiner Kindheit. Jahrelang aufgestauter Schmerz bricht aus ihm heraus, ausgelöst durch die Erkenntnis, in ein verwüstetes Land geraten zu sein. Umrahmt wird das Programm von dem Improvisationskünstler Gunnar Geisse. Seine Kompositionen aus elektrischer Gitarre und elektronischer Klangverarbeitung werden an diesem Abend durch das Saxophonspiel von Michael Lentz ergänzt – ein musikalisches Erlebnis, das überraschen wird und dessen Eindrücke nachwirken. Gemeinsam bewegen wir uns durch die Ausstellung des Marta Herford und erleben Literatur, Musik und die eindrucksvolle Kunst auf besonders intensive Weise.